Donnerstag, 12. Februar 2015

Maßeinheiten für Behinderung

Im deutschen Sozialgesetzbuch gibt es für das Maß einer körperlichen Beeinträchtigung zwei verschiedene Begriffe: die „Minderung der Erwerbsfähigkeit“ (MdE) und den „Grad der Behinderung“, kurz GdB. Anhand einer Tabelle wird hier jeweils beziffert, wie hoch das Gesamtmaß der Behinderung ist. Je nach Höhe kann der Betroffene verschiedene Vergünstigungen und Rechte beanspruchen.
Der GdB ist ein Begriff aus dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX). Der Grad der Behinderung gilt als Maßstab zur Feststellung einer Behinderung und wird in Zehnergraden angegeben. Die MdE hingegen ist ein Rechtsterminus aus dem Sozialgesetzbuch VII, in dem das soziale Entschädigungsrecht und die gesetzliche Unfallversicherung geregelt werden. Die MdE ist z. B. in Fällen relevant, in denen Versicherte aufgrund eines Arbeits- oder Wegeunfalls bzw. einer Berufskrankheit Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitsrente haben. Während der GdB in Ganzzahlen angegeben wird, spricht man bei der Minderung der Erwerbsfähigkeit von „Vomhundertsätzen“. Ab Januar 2008 wurde der Begriff „Minderung der Erwerbsfähigkeit“ in „Grad der Schädigungsfolgen“ (GdS) unbenannt.
Beide Begriffe sind ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund einer gesundheitlichen Schädigung. Sie werden nach den gleichen Grundsätzen bemessen und sagen im Prinzip auch das Gleiche aus. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nur auf die Folgen der Schädigung bezieht (kausal), der Grad der Behinderung hingegen auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Ursache (final).

Bemessungsgrundlage und Berechnung

Der Grad der Behinderung wird vom Versorgungsamt festgestellt. Durch einen ärztlichen Gutachter wird anhand einer Tabelle („Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ 2008, zu bestellen unter www.bmas.bund.de) festgelegt, wie hoch der Grad der Behinderung ist. Diese Tabelle wird vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegeben. Darin sind die häufigsten Einschränkungen mit den entsprechenden GdB-Werten genannt.
Die Berechnung des Grads der Behinderung ist äußerst komplex und für den Laien oft schwer nachvollziehbar. Zur Ermittlung des Gesamt-GdB wird geprüft, wie sich einzelne Funktionsstörungen untereinander auswirken. Sie werden in ihrer Gesamtheit betrachtet, nicht als voneinander isolierte Behinderungen.
Liegen mehrere gesundheitliche Beeinträchtigungen vor, werden sie in ihrer Gesamtheit betrachtet, nicht als voneinander isolierte Behinderungen. Dabei wird immer vom höchsten Wert ausgegangen und im Anschluss geprüft, inwieweit andere Funktionsbeeinträchtigungen das Gesamtmaß der Behinderung vergrößern. Der Gesamt-GdB für eine Person mit zwei Einzel-GdBs von 50 (Unterschenkelamputation) und 40 (Herz-Kreislauf-Erkrankung) lässt sich somit nicht durch simple Addition berechnen. Mit einer Faustformel lässt sich die Berechnung des Gesamt-GdBs von 70 für diesen Fall nachvollziehen: Ausgehend vom höchsten GdB-Wert wird das zweite Beschwerdebild nur noch mit einem Anteil von 50 %, das dritte zu 33 % einbezogen. Es ergibt sich ein Gesamt-GdB von 50 plus 20, also 70. Haben beide Beeinträchtigungen keinen Einfluss aufeinander, ist es durchaus möglich, dass für den Gesamtwert nur der höchste GdB gezählt wird.

Der Schwerbehindertenausweis

Um sich gegenüber Sozialleistungsträgern, Behörden, Arbeitgebern u. a. als schwerbehinderter Mensch ausweisen zu können, benötigt man einen Schwerbehindertenausweis. Den Schwerbehindertenausweis erhält man, wenn man einen Gesamt-GdB von 50 oder mehr nachweisen kann. Zudem muss der Antragsteller einen Wohnsitz in Deutschland haben, hier berufstätig sein oder sich zumindest regelmäßig in Deutschland aufhalten. Auf der Rückseite des Ausweises ist der Gesamt-GdB vermerkt.
Den Ausweis kann man beim zuständigen Versorgungsamt oder Landratsamt beantragen. Am besten ist es, dem Antragsformular auch alle ärztlichen Bescheinigungen über die Behinderung beizufügen. Zunächst wird der Ausweis auf fünf Jahre befristet ausgestellt. Bei nichtdeutschen Schwerbehinderten, deren Aufenthaltsgenehmigung oder die Arbeitserlaubnis befristet ist, wird der Ausweis maximal bis zu deren Ende ausgestellt. Für den Fall, dass eine Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen nicht zu erwarten ist, kann der Ausweis auch unbefristet ausgestellt werden. Spätestens drei Monate vor Ablauf sollte der neue Ausweis beantragt werden.
Zweimal kann er auch ohne aufwendige Formalitäten verlängert werden, entweder beim Versorgungsamt, meist jedoch beim Bürgeramt. Wurde der Ausweis schon zweimal verlängert, muss beim Versorgungsamt ein neuer beantragt werden. Dafür ist nur ein neues Lichtbild erforderlich, die ärztlichen Gutachten müssen nicht noch einmal eingeholt werden.
Ähnliches gilt bei Verlust: Beim zuständigen Versorgungsamt muss ein neuer Ausweis mit Lichtbild beantragt werden; ärztliche Gutachten müssen auch in diesem Fall nicht noch einmal eingereicht werden. Verbessert oder verschlechtert sich der Gesundheitszustand, ist der Inhaber des Ausweises verpflichtet, dies dem Versorgungsamt mitzuteilen, damit eventuelle Änderungen beim GdB oder den Merkzeichen im Ausweis vermerkt werden können.

Rechte und Vergünstigungen

Natürlich muss ein Schwerbehinderter keinen Schwerbehindertenausweis besitzen. Um jedoch bestimmte Nachteilsausgleiche beanspruchen zu können, wird der Ausweis benötigt. Oft bieten kulturelle Einrichtungen, wie Musseen und Theater, sowie öffentliche Freizeiteinrichtungen Preisnachlässe, die erst nach Vorlage des Schwerbehindertenausweises eingeräumt werden.
Um öffentliche Verkehrsmittel kostenlos nutzen zu können, ist ebenfalls ein Schwerbehindertenausweis nötig. Vom Versorgungsamt wird schwerbehinderten Menschen mit den Merkzeichen G (gehbehindert), Gl (gehörlos), aG (außergewöhnlich gehbehindert), H (hilflos) oder Bl (blind) ein grün-orangener Ausweis ausgestellt, der die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ermöglicht. Um diese jedoch in Anspruch nehmen zu können, wird zudem ein Beiblatt mit Wertmarke benötigt, das beim Versorgungsamt für einen Preis von 60 Euro jährlich erhältlich ist. Empfänger von Sozialleistungen sowie Personen, die einen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen „H“, „Bl“, „VB“ (Versorgungsberechtigung nach dem Soldatenversorgungsgesetz) oder „EB“ (Entschädigungsberechtigung nach § 28 Bundesentschädigungsgesetz) haben, erhalten die Wertmarke kostenlos. Wer ein eigenes Fahrzeug besitzt und in dessen Ausweis ein „G“ oder „Gl“ vermerkt ist, kann anstelle der unentgeltlichen Beförderung auch eine Kraftfahrzeugsteuerermäßigung beanspruchen.
Um auf Behindertenparkplätzen parken zu dürfen, genügt ein Schwerbehindertenausweis allein jedoch nicht. Hierfür wird ein Parkausweis benötigt, der nur unter Vorlage eines Schwerbehindertenausweis mit den Kürzeln „aG“ oder „Bl“ ausgestellt wird. Nur dieser Parkausweis berechtigt gehbehinderte Menschen sowie Blinde und ihre Begleitperson zur Nutzung des Parkplatzes.
Steuerliche Vergünstigungen können ebenfalls geltend gemacht werden, da Behinderte meist höhere Lebenshaltungskosten haben. Auf der Steuerkarte kann ein Pauschalbetrag als „außergewöhnliche Belastung“ eingetragen werden, dessen Höhe vom GdB abhängig ist. Tatsächliche Mehraufwendungen müssen in der Steuererklärung einzeln ausgewiesen werden. Der Nachweis wird auch hier über den Schwerbehindertenausweis geführt. Bei einem GdB unter 50 muss eine Bescheinigung des Versorgungsamtes oder z. B. ein Rentenbescheid vorgelegt werden.
Aus Angst vor z. B. beruflichen Nachteilen scheuen viele Menschen die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises und die damit verbundenen ärztlichen Untersuchungen – zu Unrecht: So werden Betroffene etwa in Bewerbungsverfahren für Stellen im Öffentlichen Dienst (z. B. an Hochschulen und Universitäten) immer bevorzugt. Beispiele wie dieses zeigen, dass betroffene Patienten ihre Schwerbehinderung nachweisen müssen, wenn sie ihre Rechte in Anspruch nehmen wollen.

Quelle / Volltext:  http://www.curado.de

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