„Selbsthilfevertreter sind heute Partner aller Akteure im Gesundheitswesen und unterstützen die Krankheitsbewältigung maßgeblich. In einer guten Kooperation von Ärzten und Selbsthilfegruppen liegen Potentiale für die weitere Verbesserung der Qualität insbesondere der psychosozialen Versorgung von Patienten“, sagte Frau Professor Dr. Dagmar Schipanski in Bonn. Doch nach wie vor würden viele Ärzte nicht mit der Selbsthilfe zusammenarbeiten. Vorurteile und Vorbehalte, Unkenntnis, Zeitmangel und Budgetierung seien oft Gründe dafür.
Diese Vorbehalte stehen im krassen Gegensatz zu dem, was Professor Dr. Wolfgang Slesina, Leiter der Sektion Medizinsoziologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, in seinen Forschungsarbeiten zur Zusammenarbeit von Ärzten und Selbsthilfegruppen herausgefunden hat: „Ärzte, die mit Selbsthilfegruppen kooperieren, haben einen schärferen Blick für die Probleme der Betroffenen und schätzen Kompetenz und Therapietreue ihrer Patienten“, so Slesina in Bonn-Bad Godesberg. Er stellt fest: „Immer mehr Ärzte haben mittlerweile den Nutzen einer Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen erkannt, es hapert aber immer noch an der Umsetzung“. Um die Zusammenarbeit zu erleichtern, appelliert er an die Selbsthilfevertreter, insbesondere ihre Kommunikationsfähigkeit zu trainieren: „Es kommt im Umgang mit den Ärzten vor allem darauf an, wie etwas gesagt und vermittelt wird.“
Die Teilnehmer des Tages der Krebs-Selbsthilfe waren sich einig, dass insbesondere bei den Ärzten, die dem Patienten die Diagnose Krebs mitteilen, ein Bewusstsein für den Nutzen der Krebs-Selbsthilfe geschaffen werden sollte. „In dieser Situation hat der Betroffene viele Fragen, ist verunsichert, braucht Informationen und Rat. Der Hinweis auf eine Selbsthilfegruppe, die ihm den Austausch mit Gleichbetroffenen ermöglicht, die ihm Mut macht und zusätzlich Orientierungshilfe bietet, kann zu diesem Zeitpunkt für die Betroffenen sehr hilfreich sein“, so Professor Schipanski.
Um die Akzeptanz für die Selbsthilfe in der Ärzteschaft zu verbessern, besteht Handlungsbedarf auf verschiedenen Ebenen. „Die Qualität der Selbsthilfe-Unterstützungsangebote muss weiterentwickelt und Selbsthilfe sollte in die Aus- und Weiterbildung der Ärzte einbezogen werden“, so Professor Dr. Gerhard Englert, Vorsitzender der Deutschen ILCO, eine Selbsthilfevereinigung für Stomaträger und Menschen mit Darmkrebs. Dafür bedarf es Studien zu den Möglichkeiten einer Qualitätsverbesserung und darauf aufbauende Schulungen für die Mitarbeiter der Selbsthilfe. Die Deutsche Krebshilfe sieht sich dabei maßgeblich in der Pflicht: „Um die wissenschaftliche Basis für die Selbsthilfe zu schaffen und Selbsthilfeforschung betreiben zu können, werden wir zeitnah eine Stiftungsprofessur für Krebs-Selbsthilfeforschung im Hochschulbereich einrichten“, versicherte Gerd Nettekoven, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe. Zudem sehe er die Notwendigkeit für intensive Schulungsmaßnahmen für Selbsthilfevertreter: „Die Deutsche Krebshilfe hat die feste Absicht, ein Schulungszentrum für Selbsthilfe zu konzipieren und zu fördern“, so Nettekoven in Bonn.
Darüber hinaus muss bereits bei den Medizinstudenten ein Bewusstsein für den Nutzen der Selbsthilfe sowohl für die Ärzte als auch für die Patienten geschaffen werden. „Während des gesamten Medizinstudiums sollten die Kommunikationsfähigkeiten nachhaltig gefördert und eng an die klinischen Fächer angebunden werden“, so Professor Dr. Dr. Martin Härter, Leiter der Sektion Klinische Epidemiologie und Versorgungsforschung der Universitätsklinik Freiburg. Dabei müsse die Selbsthilfe von Anfang an mit eingebunden werden.
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