Im deutschen Sozialgesetzbuch gibt es für das Maß einer körperlichen
Beeinträchtigung zwei verschiedene Begriffe: die „Minderung der
Erwerbsfähigkeit“ (MdE) und den „Grad der Behinderung“, kurz GdB. Anhand
einer Tabelle wird hier jeweils beziffert, wie hoch das Gesamtmaß der
Behinderung ist. Je nach Höhe kann der Betroffene verschiedene
Vergünstigungen und Rechte beanspruchen.
Der GdB ist ein Begriff
aus dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX). Der Grad der Behinderung
gilt als Maßstab zur Feststellung einer Behinderung und wird in
Zehnergraden angegeben. Die MdE hingegen ist ein Rechtsterminus aus dem
Sozialgesetzbuch VII, in dem das soziale Entschädigungsrecht und die
gesetzliche Unfallversicherung geregelt werden. Die MdE ist z. B. in
Fällen relevant, in denen Versicherte aufgrund eines Arbeits- oder
Wegeunfalls bzw. einer Berufskrankheit Anspruch auf eine
Berufsunfähigkeitsrente haben. Während der GdB in Ganzzahlen angegeben
wird, spricht man bei der Minderung der Erwerbsfähigkeit von
„Vomhundertsätzen“. Ab Januar 2008 wurde der Begriff „Minderung der
Erwerbsfähigkeit“ in „Grad der Schädigungsfolgen“ (GdS) unbenannt.
Beide
Begriffe sind ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und
sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund einer
gesundheitlichen Schädigung. Sie werden nach den gleichen Grundsätzen
bemessen und sagen im Prinzip auch das Gleiche aus. Der wesentliche
Unterschied besteht darin, dass sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit
nur auf die Folgen der Schädigung bezieht (kausal), der Grad der
Behinderung hingegen auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer
Ursache (final).
Bemessungsgrundlage und Berechnung
Der
Grad der Behinderung wird vom Versorgungsamt festgestellt. Durch einen
ärztlichen Gutachter wird anhand einer Tabelle („Anhaltspunkte für die
ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach
dem Schwerbehindertengesetz“ 2008, zu bestellen unter www.bmas.bund.de)
festgelegt, wie hoch der Grad der Behinderung ist. Diese Tabelle wird
vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegeben. Darin
sind die häufigsten Einschränkungen mit den entsprechenden GdB-Werten
genannt.
Die Berechnung des Grads der Behinderung ist äußerst
komplex und für den Laien oft schwer nachvollziehbar. Zur Ermittlung des
Gesamt-GdB wird geprüft, wie sich einzelne Funktionsstörungen
untereinander auswirken. Sie werden in ihrer Gesamtheit betrachtet,
nicht als voneinander isolierte Behinderungen.
Liegen mehrere
gesundheitliche Beeinträchtigungen vor, werden sie in ihrer Gesamtheit
betrachtet, nicht als voneinander isolierte Behinderungen. Dabei wird
immer vom höchsten Wert ausgegangen und im Anschluss geprüft, inwieweit
andere Funktionsbeeinträchtigungen das Gesamtmaß der Behinderung
vergrößern. Der Gesamt-GdB für eine Person mit zwei Einzel-GdBs von 50
(Unterschenkelamputation) und 40 (Herz-Kreislauf-Erkrankung) lässt sich
somit nicht durch simple Addition berechnen. Mit einer Faustformel lässt
sich die Berechnung des Gesamt-GdBs von 70 für diesen Fall
nachvollziehen: Ausgehend vom höchsten GdB-Wert wird das zweite
Beschwerdebild nur noch mit einem Anteil von 50 %, das dritte zu 33 %
einbezogen. Es ergibt sich ein Gesamt-GdB von 50 plus 20, also 70. Haben
beide Beeinträchtigungen keinen Einfluss aufeinander, ist es durchaus
möglich, dass für den Gesamtwert nur der höchste GdB gezählt wird.
Der Schwerbehindertenausweis
Um
sich gegenüber Sozialleistungsträgern, Behörden, Arbeitgebern u. a. als
schwerbehinderter Mensch ausweisen zu können, benötigt man einen
Schwerbehindertenausweis. Den Schwerbehindertenausweis erhält man, wenn
man einen Gesamt-GdB von 50 oder mehr nachweisen kann. Zudem muss der
Antragsteller einen Wohnsitz in Deutschland haben, hier berufstätig sein
oder sich zumindest regelmäßig in Deutschland aufhalten. Auf der
Rückseite des Ausweises ist der Gesamt-GdB vermerkt.
Den Ausweis
kann man beim zuständigen Versorgungsamt oder Landratsamt beantragen.
Am besten ist es, dem Antragsformular auch alle ärztlichen
Bescheinigungen über die Behinderung beizufügen. Zunächst wird der
Ausweis auf fünf Jahre befristet ausgestellt. Bei nichtdeutschen
Schwerbehinderten, deren Aufenthaltsgenehmigung oder die
Arbeitserlaubnis befristet ist, wird der Ausweis maximal bis zu deren
Ende ausgestellt. Für den Fall, dass eine Änderung in den
gesundheitlichen Verhältnissen nicht zu erwarten ist, kann der Ausweis
auch unbefristet ausgestellt werden. Spätestens drei Monate vor Ablauf
sollte der neue Ausweis beantragt werden.
Zweimal kann er auch
ohne aufwendige Formalitäten verlängert werden, entweder beim
Versorgungsamt, meist jedoch beim Bürgeramt. Wurde der Ausweis schon
zweimal verlängert, muss beim Versorgungsamt ein neuer beantragt werden.
Dafür ist nur ein neues Lichtbild erforderlich, die ärztlichen
Gutachten müssen nicht noch einmal eingeholt werden.
Ähnliches
gilt bei Verlust: Beim zuständigen Versorgungsamt muss ein neuer Ausweis
mit Lichtbild beantragt werden; ärztliche Gutachten müssen auch in
diesem Fall nicht noch einmal eingereicht werden. Verbessert oder
verschlechtert sich der Gesundheitszustand, ist der Inhaber des
Ausweises verpflichtet, dies dem Versorgungsamt mitzuteilen, damit
eventuelle Änderungen beim GdB oder den Merkzeichen im Ausweis vermerkt
werden können.
Rechte und Vergünstigungen
Natürlich muss
ein Schwerbehinderter keinen Schwerbehindertenausweis besitzen. Um
jedoch bestimmte Nachteilsausgleiche beanspruchen zu können, wird der
Ausweis benötigt. Oft bieten kulturelle Einrichtungen, wie Musseen und
Theater, sowie öffentliche Freizeiteinrichtungen Preisnachlässe, die
erst nach Vorlage des Schwerbehindertenausweises eingeräumt werden.
Um
öffentliche Verkehrsmittel kostenlos nutzen zu können, ist ebenfalls
ein Schwerbehindertenausweis nötig. Vom Versorgungsamt wird
schwerbehinderten Menschen mit den Merkzeichen G (gehbehindert), Gl
(gehörlos), aG (außergewöhnlich gehbehindert), H (hilflos) oder Bl
(blind) ein grün-orangener Ausweis ausgestellt, der die unentgeltliche
Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ermöglicht. Um
diese jedoch in Anspruch nehmen zu können, wird zudem ein Beiblatt mit
Wertmarke benötigt, das beim Versorgungsamt für einen Preis von 60 Euro
jährlich erhältlich ist. Empfänger von Sozialleistungen sowie Personen,
die einen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen „H“, „Bl“, „VB“
(Versorgungsberechtigung nach dem Soldatenversorgungsgesetz) oder „EB“
(Entschädigungsberechtigung nach § 28 Bundesentschädigungsgesetz) haben,
erhalten die Wertmarke kostenlos. Wer ein eigenes Fahrzeug besitzt und
in dessen Ausweis ein „G“ oder „Gl“ vermerkt ist, kann anstelle der
unentgeltlichen Beförderung auch eine Kraftfahrzeugsteuerermäßigung
beanspruchen.
Um auf Behindertenparkplätzen parken zu dürfen,
genügt ein Schwerbehindertenausweis allein jedoch nicht. Hierfür wird
ein Parkausweis benötigt, der nur unter Vorlage eines
Schwerbehindertenausweis mit den Kürzeln „aG“ oder „Bl“ ausgestellt
wird. Nur dieser Parkausweis berechtigt gehbehinderte Menschen sowie
Blinde und ihre Begleitperson zur Nutzung des Parkplatzes.
Steuerliche
Vergünstigungen können ebenfalls geltend gemacht werden, da Behinderte
meist höhere Lebenshaltungskosten haben. Auf der Steuerkarte kann ein
Pauschalbetrag als „außergewöhnliche Belastung“ eingetragen werden,
dessen Höhe vom GdB abhängig ist. Tatsächliche Mehraufwendungen müssen
in der Steuererklärung einzeln ausgewiesen werden. Der Nachweis wird
auch hier über den Schwerbehindertenausweis geführt. Bei einem GdB unter
50 muss eine Bescheinigung des Versorgungsamtes oder z. B. ein
Rentenbescheid vorgelegt werden.
Aus Angst vor z. B. beruflichen
Nachteilen scheuen viele Menschen die Beantragung eines
Schwerbehindertenausweises und die damit verbundenen ärztlichen
Untersuchungen – zu Unrecht: So werden Betroffene etwa in
Bewerbungsverfahren für Stellen im Öffentlichen Dienst (z. B. an
Hochschulen und Universitäten) immer bevorzugt. Beispiele wie dieses
zeigen, dass betroffene Patienten ihre Schwerbehinderung nachweisen
müssen, wenn sie ihre Rechte in Anspruch nehmen wollen.
Quelle / Volltext:
http://www.curado.de