Bessere Prognose bei höherer Adenom-Detektionsrate
Warum man als Patient zum Spezialisten gehen sollte:
Bessere Prognose bei höherer Adenom-Detektionsrate
Die Forschungsabteilung von Kaiser Permanente, der größten Health Maintenance Organization in den USA, untersuchte in einer umfangreichen Koloskopie-Studie, inwieweit das Risiko für Kolorektalkarzinom von der Performance des Gastroenterologen abhängt.
Die Adenom-Detektionsrate (ADR) eines Arztes wird als Qualitätskriterium für die Darmkrebsvorsorge diskutiert. Sie gibt den Anteil der Koloskopien an, bei denen der Untersucher mindestens ein histologisch bestätigtes Adenom oder Adenokarzinom findet. US-Fachgesellschaften zufolge weist eine ADR von mindestens 15% bei weiblichen und mindestens 25% bei männlichen Patienten auf eine adäquate Qualität der Koloskopie hin. Diese Werte wurden jedoch bisher nicht durch Studien validiert. Unzureichend belegt ist auch die Korrelation zwischen ADR und dem Risiko eines nachfolgenden kolorektalen Karzinoms sowie der Tumormortalität. Lediglich eine polnische Studie von 42 Intervallkarzinomen ergab bei einer Nachbeobachtungszeit von fünf Jahren ein geringeres Tumorrisiko bei einer ADR unter 20% im Vergleich zu einer höheren. Eine große US-amerikanische Studie beweist jetzt, dass die ADR des Untersuchers die Prognose des Patienten durchaus beeinflusst. Untersucht wurden 314 872 Koloskopien, die 136 Gastroenterologen in 17 medizinischen Zentren von Kaiser Permanente in Nordkalifornien durchgeführt hatten. Die teilnehmenden Ärzte verfügten über eine Berufserfahrung von mindestens 300 Koloskopien – im Durchschnitt waren es über 2000. Einschlusskriterien für die Koloskopie-Patienten waren ein Alter von mindestens 50 Jahren und eine Nachbeobachtungszeit von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Die ADR der Ärzte variierten von 9,7 bis 60,5% für Männer und 3,9 bis 45,9% für Frauen. Während des Follow-ups von mehr als 925 000 Personenjahren wurden 712 Intervalltumoren diagnostiziert, davon 255 in fortgeschrittenen Stadien (III und IV). 147 Patienten starben daran. Der Anteil der Intervalltumoren – also der Tumoren, die mindestens sechs Monate nach einer Koloskopie entdeckt wurden – an der Gesamtzahl der Darmkrebserkrankungen betrug 8,2%. Zwei Drittel der Intervallkarzinome wurden mehr als drei Jahre nach der letzten Darmspiegelung gefunden. 60% betrafen das proximale Kolon.
Halbiertes Krebsrisiko
Die Studienautoren teilten die Gastroenterologen der Studie anhand ihrer ADR in fünf gleich große Gruppen ein. Im Quintil mit der niedrigsten ADR (7,4 bis 19,1%) fanden sich 9,8 Fälle von Intervallkarzinomen pro 10 000 Personenjahre, im Quintil mit der höchsten ADR (33,5 bis 52,5%) dagegen nur 4,8. Nach Anpassung an potenzielle Störfaktoren wie Geschlecht, Alter, Komorbiditätsindex und Koloskopie-Indikation ergab sich für Patienten, die sich von Ärzten mit der höchsten „Trefferquote“ untersuchen ließen, ein etwa halb so großes Intervallkarzinom-Risiko (52%) wie im unteren Quintil. Für fortgeschrittene Tumorstadien reduzierte sich das Risiko sogar um 57%, für tödliche Tumoren um 62%. Dies galt sowohl für Frauen als auch für Männer, für frühe und verzögerte Intervalltumoren und für proximale wie distale Lokalisation. Die Assoziation zwischen ADR und Krebsrisiko erwies sich zudem als unabhängig von der Indikation der Koloskopie – ob reguläres Screening, Kontrolle oder Diagnose. Betrachtete man die ADR als kontinuierliche Variable, so sank das Intervalltumorrisiko mit zunehmender ADR praktisch linear. Mit jedem Prozent Steigerung der ADR verringerte sich das Krebsrisiko des Patienten um 3% und die Tumorsterblichkeit um 5%. Rein rechnerisch könnten Ärzte, die ihre ADR von unter 19% (entsprechend des untersten Quintils) auf mindestens 34% verbessern, damit pro 213 Koloskopien ein zusätzliches Intervallkarzinom in den nächsten zehn Jahren verhindern. Ob und wie sich eine Steigerung der individuellen Erfolgsrate aber tatsächlich auf die Prognose der Patienten auswirkt, müssen weitere Studien zeigen. Die Assoziation zwischen der ADR und dem Intervallkarzinomrisiko geht vermutlich auf eine bessere Detektion präkanzeröser Adenome zurück. Die Genauigkeit der Polypektomie könnte jedoch ebenso eine Rolle spielen. Möglicherweise, so spekulieren die Autoren, kommt bei weniger erfahrenen Gastroenterologen mit einer niedrigen ADR erschwerend hinzu, dass sie die entdeckten Polypen häufiger nicht vollständig entfernen. Auch das würde zu einem höheren Karzinomrisiko der Patienten beitragen. Ob mit unterschiedlicher ADR außerdem unterschiedliche Komplikationsraten der Koloskopie einhergehen, konnte ebenfalls nicht untersucht werden. CW
KOMMENTAR
Die Studie ist die bislang größte ihrer Art und wird von führenden US-amerikanischen Gastroenterologen als wegweisend eingeordnet. Sie zeigt, wie wichtig die Dokumentation der ADR für jeden Gastroenterologen ist. Die ADR wird vermutlich von Versicherern und Patienten künftig stärker nachgefragt werden. Die bisherigen Richtwerte für eine qualitativ hochwertige Koloskopie müssen vermutlich nach oben korrigiert werden.
Rex DK: Definite validation of the adenoma detection rate. NEJM Journal Watch
Quelle:
Corley DA et al.: Adenoma detection rate and risk of colorectal cancer and death. N Engl J Med 370 (2014) 1298-1306
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